Behinderung durch Staupe

"Vita" - Behinderung durch Staupe-Infektion
hundkatzemaus-Tierschutzexperte Frank Weber ist immer im Einsatz und häufig nimmt der Leiter des Franziskustierheims in Hamburg weitere Strecken auf sich, um dann vor Ort helfen zu können. Diesmal wird er von einer Mutter von zwei Kindern aus Erkelenz um Hilfe gebeten, die verzweifelt ein neues Zuhause für ihre behinderte, einjährige Mischlingshündin sucht. Und Frank weiß, dass es die Vierbeiner mit Handicap unter den unzähligen Hunden, die ein Zuhause suchen, am schwersten haben...
Die Labradormischlingshündin "Vita" hatte keinen guten Start ins Leben. Kurz nach ihrer Geburt wurde sie krank, und ihre Besitzerin Michaela Rommerskirchen brachte den Welpen in die Tierklinik. Dort konnte man zwar das Leben der Hündin retten, stellte aber auch eine nervöse Form von Staupe fest. Hierbei handelt es sich um eine gefährliche Viruserkrankung, die bleibende Schäden verursachen kann. Seitdem leidet "Vita" an schweren Koordinations -und Bewegungsstörungen, die auf Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems (ZNS) und des Gehirns zurückzuführen sind; sie dreht sich beim Laufen, stolpert und überschlägt sich sogar manchmal.
Entscheidung aus Vernunft
Für Michaela war "Vitas" Behinderung kein Grund, die Hündin abzugeben und so wuchs der Labradormischling in der Familie mit zwei Kindern und weiteren Hunden auf. Doch mit 3 Monaten zeigte die Hündin erstmals Verhaltensauffälligkeiten und reagiert seitdem in bestimmten Situationen aggressiv. Besonders in der Nähe des Futter- und Wassernapfes, darf man ihr nicht zu nahe kommen. Mittlerweile macht Michaela sich große Sorgen um ihre Kinder, den neunjährigen Julien und die zweieinhalbjährige Elli. Sie hält "Vita" weitestgehend von ihnen getrennt, weil sie befürchtet, die sonst so liebe Hündin könnte im Affekt zubeißen. Hinzu kommt, dass die junge Frau ihr drittes Kind erwartet. Frank Weber fährt zur Familie Rommerskirchen, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Schnell erkennt der Tierheimleiter, dass Michaela eine erfahrene und verantwortungsvolle Hundebesitzerin ist, die nichts unversucht gelassen hat, um "Vita" behalten zu können. Viele Menschen neigen bei Tieren mit Behinderungen dazu, sie aus falsch verstandenem Mitleid wie ein rohes Ei zu behandeln und deshalb kaum zu erziehen. Michaela hat bewusst versucht, mit erzieherischen Mitteln Einfluss auf "Vitas" Verhalten zu nehmen, doch bisher ohne Erfolg.
Frank Weber fährt mit Michaela und ihrer Hündin in die Tierärztliche Kleintierklinik nach Mönchengladbach, um testen zu lassen, ob es für "Vitas" Verhaltensauffälligkeiten eine medizinische Erklärung gibt und in welcher Form sich ihre Behinderung eventuell behandeln lässt. Doch nach einer gründlichen Untersuchung stellt Tierarzt Dr. Michael Dürbaum mit Bedauern fest, dass es keine Behandlungsmöglichkeiten für die Hündin gibt. Durch Physiotherapie könnten "Vitas" Bewegungsabläufe vielleicht verbessert werden, doch ihr Verhalten kann nicht beeinflusst werden. Ihre Behinderung verursacht Bewusstseinstörungen und zeitweilige Aggressivität, was die Hündin - trotz ihres tollen und ausgeglichenen Charakters - unberechenbar macht. Auch der Facharzt rät davon ab, "Vita" in einem Haushalt mit Kindern halten. Für Familie Rommerskirchen bedeutet das, dass sie sich von der Hündin trennen muss. Schweren Herzens und mit Frank Webers Unterstützung sucht Michaela nun dringend ein neues, geeignetes Zuhause für ihren Schützling...
Voraussetzungen

Ein verständnisvolles Zuhause für einen Hund mit derartiger Beeinträchtigung zu finden, ist immer eine große Herausforderung. Der neue Besitzer muss langjährige Erfahrung mit Hunden haben - an einen Anfänger kann "Vita" nicht abgegeben werden. Außerdem sollten keine Kinder im Haus sein. Als Zweithund ist "Vita" wiederum geeignet und sie versteht sich auch mit Kleintieren. Man muss sich bewusst sein, dass ein behindertes Tier zeitintensiv ist und ganz spezielle Bedürfnisse hat, die zu berücksichtigen sind und auf die eingegangen werden muss. "Vita" braucht ein ländlich gelegenes, ebenerdiges Zuhause mit Garten, einen strukturierten Tagesablauf und feste Futterrituale. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann sie bei liebevoller und aufmerksamer Haltung ein glückliches und zufriedenes Leben führen.
Staupe (Canine distemper)
Staupe, zu mittelniederdeutsch "stuype", d.h. "Krampf", ist eine hoch ansteckende Viruserkrankung, die durch regelmäßige Impfungen seltener geworden ist. Neben Hunden können u.a. auch Wildhunde (Wolf, Fuchs, usw.), Nasenbären, Waschbären, Pandas, Wiesel, Frettchen, Dachse, Marder, Otter und Nerze daran erkranken.
Erste Krankheitszeichen der Staupe machen sich ca. eine Woche nach Ansteckung bemerkbar. Anfänglich tritt hohes Fieber, Appetitlosigkeit und Müdigkeit auf. Begleitet werden die Symptome von zunächst wässrig-klarem Augen- und Nasenausfluss, der später zähflüssig und eitrig wird. Unmittelbar danach oder nach einer scheinbaren Erholungsphase können weitere Krankheitssymptome auftreten.
Die so genannte Darmform der Staupe ist durch Erbrechen und wässrigen bis blutigen Durchfall gekennzeichnet. Charakteristisch für die Lungenform der Staupe sind Atembeschwerden, Husten und Lungenentzündungen. Die schwerste Staupeform ist die so genannte nervöse Form. Diese verursacht Schädigungen am Gehirn, die sich in psychischen Veränderungen, Gleichgewichtsstörungen, Zittern, Lähmungen und Krampfanfällen äußern. Die nervöse Form nimmt fast immer ein tödliches Ende, weshalb betroffene Tiere häufig eingeschläfert werden.
Zur Vorbeugung der Staupe ist eine regelmäßige Schutzimpfung zu empfehlen und auch vorgeschrieben!
Dalder, Anke
Mariposa Verlag, 2007
ISBN 978-3-927708-39-6, EUR 19,90
272 Seiten