Fahren mit Gedanken – wozu?

Das überflüssige Projekt "Brain Driver"
Von Peter Stützer
My car is my castle. Da kann dem Manne keiner was. In der Blechhülle ist er Ritter und Aggressor, trägt er ungefährdet Zweikämpfe aus, muss er selbst die Niederlage nicht fürchten, macht er sich groß hinterm Lenkrad und den anderen klein. All den Frust des Tages, den Ärger im Büro, den Zoff mit der Ehefrau wird er los mit einem Schlag, mit einem Tritt - dem aufs Gaspedal. Also noch einmal: das Duell beginnt vor der roten Ampel, Pole-Position für zwei Dummköpfe, ein letztes Aufheulen der Motoren, ein letzter, meist spöttischer Blick zum anderen, zum..., zum... bitte zu wem?
Dummkopf zwei staunt nicht schlecht, denn Dummkopf eins ist futsch. Das Auto neben ihm auf gleicher Höhe - hinterm Lenkrad: kein Mensch. Während zwei noch die Gedanken sortiert, was bei ihm keinen nennenswerten Aufwand bedeutet, setzt sich Fahrzeug eins scheinbar kopflos in Bewegung: Vollgas, kurzer Sprint, Sieg auf ganzer Linie. Denn Dummkopf zwei steht auch drei Grünphasen später noch an der Ampel und versteht die Welt nicht mehr. Das war doch... das gibt's doch nicht... wie geht das denn?
Ein Auto fährt davon, doch wer lenkt es, es sitzt kein Mensch am Steuer. Auch nicht auf dem Beifahrersitz. Nur auf der Rückbank, da saß doch einer, quasi unsichtbar und unbeteiligt, konnte das Ganze in der Tat nicht sehen, versteckt hinter einer Zeitung. Dahinter steckt bekanntlich immer ein kluger Kopf, fürwahr. Nehmen wir Patrick Vogel von der Freien Universität Berlin, der dort das Projekt "Brain Driver" betreibt. Fahren mit Gedanken. Das autonome Auto, eines Tages soll es im Straßenverkehr komplett alleine zurechtkommen; schon bald wird das der Fall sein. Heute lesen 16 Sensoren die Hirnströme des Fahrers und wandeln sie in Steuerbefehle für das Auto um. Welcher Art und Menge die Gedanken auch gerade sind - nicht mal mit Autofahren oder Verkehr müssen sie zu tun haben, auch nicht mit Straßenverkehr. Ein Gedanke an rote Rosen zum Beispiel: Das Auto beschleunigt, und wir verlangen in unserer realen Welt wie immer eine Erklärung, und zwar sofort.
Gedanken werden gesammelt und gespeichert

Wie die meisten Geschichten hat auch diese eine Vorgeschichte, und die ist Bedingung: Beim Gedankenfüttern, beim Programmieren des Fahrzeugs mit Gedanken vorab, muss der Denker vom Dienst beim Gedanken an rote Rosen schon einmal das Auto beschleunigt haben. Wie ein Tonband einen Ton aufnimmt, speichert und bei Bedarf wieder rausrückt, also abspielt, so werden beim Brain Driver Gedanken gesammelt und gespeichert, immer in Zusammenhang mit einer Aktion. Das bedeutet unglaublich viel Aufwand und Gedankenspiel, erst dann wird das Auto zum Gedankenleser und Gedankenfahrer. Irgendwann soll dann auch der Mann im Fond überflüssig werden, das Auto sich vollkommen alleine durch den Stadtverkehr schlängeln.
Die Bundesregierung muss das irgendwie gut finden, denn sie stellt eine Menge Fördergelder für das Projekt zur Verfügung. Und doch oder gerade deshalb wird die Frage erlaubt sein: Und was soll das Ganze? Welchen Sinn hat ein Auto, das keinen Menschen von A nach B kutschiert, sondern nur sich selber? Wohl überhaupt keinen Sinn. Aber irgendwo müssen die Steuergelder ja hin. Dem Manne aber ist die Trutzburg abhanden gekommen. Die Folgen werden furchtbar sein - für uns alle.
Am besten fährt doch immer noch das Auto, dessen Fahrer alle Sinne und Gedanken beisammen hat.