"Ich sehe für dich"

"Ich sehe für dich"
Im Städtchen Alpen am Niederrhein liegt die Blindenführhundschule von Siegfried Küch. Seit über 22 Jahren bildet der erfahrene Trainer mit seinen mittlerweile 12 Mitarbeiterinnen Führhunde für blinde Menschen aus. Er und sein Team haben bisher über 500 Blinden nicht nur einen perfekt ausgebildeten Hund, sondern auch einen verlässlichen Freund und Partner fürs Leben und somit mehr Lebensqualität und Mobilität geschenkt!
Noch liegt der kleine, braune Labrador Dolph mit seinen Geschwistern und seiner Mutter in der Wurfkiste bei Familie Sammer und ahnt nicht, welche verantwortungsvolle Aufgabe er einmal erfüllen soll. Doch es gibt einen Blinden, der seine Hilfe braucht: Bei einem schrecklichen Autounfall verlor Reneè Thissen sein Augenlicht - trotzdem will der sportliche junge Mann nicht auf ein eigenständiges Leben verzichten und setzt alle Hoffnungen in seinen zukünftigen tierischen Partner. hundkatzemaus begleitet den jungen Labrador auf seinem Weg zum Blindenführhund, von der Welpenstube über die erste Zeit bei seiner Patenfamilie und den Beginn der Ausbildung bis hin zur alles entscheidenden Gespannprüfung. Doch bis Dolph und Reneè gemeinsam durchs Leben gehen können, gibt es viel zu tun...
Letzter Teil: "Alles oder nichts" - die Gespannprüfung

In Deutschland gibt zur Zeit rund 3000 Blindenführhundgespanne, d.h. ein Blinder lebt mit einem für ihn speziell ausgebildeten Hund zusammen, der ihm in jeder Lebenslage zur Seite steht, ihm Mobilität und Lebensqualität zurückgibt. Der 26-jährige Reneè Thissen aus Essen wartet nun schon seit einem Jahr auf seinen Blindenführhund. Bei einem Autounfall verlor er sein Augenlicht und ist seitdem auf seinen Langstab angewiesen, mit dem er sich täglich seinen Weg durch die Innenstadt bahnt. Als Reneè in der Blindenführhundschule Küch zum ersten Mal auf Dolph traf, hat die Chemie zwischen beiden auf Anhieb gestimmt. Siegfried Küch und Janine Gutknecht haben dem Hund daraufhin zusätzliche, individuell auf Reneè Thissen abgestimmte, Hörzeichen antrainiert.
Nachdem der angehende Blindenführund optimal für sein zukünftiges Herrchen vorbereitet wurde, musste dieser wiederum lernen, wie er mit dem Hund umgehen muss. Dazu hat Trainerin Janine drei Wochen lang jeden Tag mit den beiden gearbeitet. Nachdem sie und "Musterschüler" Dolph den so genannten Blindgang erfolgreich absolviert haben, fehlt jetzt noch die offizielle Gespannprüfung, bei der Hund und Mensch zeigen, dass sie ein eingespieltes Team sind und sich aufeinander verlassen können.
Bis zur Prüfung wohnt Dolph nur zur Probe bei Reneè. Das ist auch für Trainerin Janine eine große Umstellung, die sich bis jetzt um den braunen Labrador gekümmert hat - sie sieht der Prüfung mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen: auch wenn sie als erfahrene Trainerin Routine hat, fällt es ihr nicht leicht, Dolph gehen zu lassen... doch sie weiß natürlich, dass es wieder einen glücklichen blinden Menschen mehr geben wird, der sein Leben, dank seines neuen vierbeinigen Partners, von nun an selbstbestimmt und flexibel gestalten kann.
Der alles entscheidende Tag ist gekommen und Ausbilder Küch wartet mit Prüfer Willi Dorok bereits vor Reneès Tür. Die Gespannprüfung findet immer in dem Umfeld statt, in dem der Blinde sich in seinem alltäglichen Leben auch bewegt. So kann der Prüfer beurteilen, ob Hund und Mensch gut und vor allem sicher zusammenarbeiten. Reneè gibt sich gelassen, doch insgeheim ist er ziemlich nervös. Zuerst wird ein Supermarkt angesteuert. Dort sind Hunde zwar verboten, doch ein Blindenführhund gilt als Hilfsmittel und darf aus diesem Grund mit hinein. Ob es darum geht, einen Eingang zu finden, eine Schranke zu passieren oder eine Treppe anzuzeigen und zu begehen: Dolph führt den Blinden zielstrebig und zeigt ihm den besten Weg. Dann wird es schwieriger, denn das Gespann soll aus dem beschaulichen Essener Randbezirk mit der U-Bahn in die Innenstadt fahren. Dolph zeigt, was er kann, sucht sogar einen freien Sitzplatz für sein Herrchen und lenkt ihn an den Haltestangen vorbei. Seine Trainerin ist stolz darauf, wie souverän Dolph führt: er ist aufmerksam und vergewissert sich immer wieder, ob alles seine Ordnung hat. Beim Verlassen der U-Bahn geht es in den Aufzug, der Dolph zu Beginn seiner Ausbildung gar nicht geheuer war. Mittlerweile ist der Lift kein Problem mehr für den Hund. Und dann ist es Zeit für die wichtigste Disziplin: Prüfer Willi Dorok möchte die intelligente Gehorsamsverweigerung sehen, bei dem der Blindenführhund sich dem Befehl seines Führers aus Sicherheitsgründen widersetzen muss: Reneè befiehlt Dolph, bis zur Bahnsteigkante und weiter zu gehen. Doch der Hund wittert Gefahr und entscheidet eigenständig, sein Herrchen am Bahnsteig vorbeizuführen - eine Glanzleistung! Zum Schluss will der Gespannprüfer den Gehorsam abfragen, der mit Janine Gutknecht in den letzten Wochen noch einmal fleißig geübt wurde. Der Labrador gehorcht aufs Wort und macht auf Kommando "platz", bleibt und kommt auf Zuruf - das neue Gespann ist am Ziel.
Aus dem kleinen schokoladenfarbenen Labrador ist ein stattlicher Blindenführhund mit Auszeichnung geworden, der endlich seinen Partner für's Leben gefunden hat.