Michael Kloft

Der Autor im Interview

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© Ein Tag schreibt Geschichte - 30. April 1945

SIE HABEN SICH SEIT VIELEN JAHREN IM BEREICH DER HISTORISCHEN DOKUMENTATIONEN EINEN NAMEN GEMACHT, WIE KAM ES DAZU?

Mein Interesse lag schon während des Studiums an der Kombination von drei Handwerkskünsten: wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Zeitgeschichte, Recherchen in Filmarchiven und die Herstellung von zeithistorischen Dokumentationen. Als viertes Standbein kam die journalistische Arbeit im Hause SPIEGEL dazu. Als erste große Produktionen entstanden 1994 "Widerstand - Kampf gegen Hitler" für den NDR, und 1995 "Welche Farbe hat der Krieg - Deutschland 1945" für SPIEGEL TV, denen viele weitere folgten, die sich immer den vier Säulen meiner Arbeit verpflichtet fühlen.

VIELE IHRER DOKUMENTATIONEN DREHEN SICH UM DIE PERSON ADOLF HITLER. SO GAB ES EINE GROßE SAMSTAGS-DOKUMENTATION ZUM THEMA "HITLER PRIVAT". WAS WAREN FÜR SIE PERSÖNLICH DIE SPANNENDSTEN ERKENNTNISSE ÜBER ADOLF HITLER?

Am interessantesten fand ich schon seit Beginn meiner Beschäftigung mit Hitler und dem Dritten Reich die klassische Frage "Wie war es möglich?". Erstaunlicherweise gab es bislang immer nur einzelne Analyseansätze über die Biografie des Diktators und die Ereignisgeschichte seiner verbrecherischen Herrschaft. Für mich ist meine Arbeit ein Puzzlespiel, in dem die Facetten und neuen Erkenntnisse über viele Filme hinweg zusammengesetzt werden. Diese Arbeit ist noch nicht beendet.

FÜR DIE ZWÖLFSTÜNDIGE DOKUMENTATION HABEN SIE AUCH NOCH MAL INTENSIV RECHERCHIERT. AUF WELCHES MATERIAL SIND SIE DABEI GESTOßEN?

Der herausragende Fund ist sicherlich das bislang unveröffentlichte Verhör von Hitlers Sekretärin Traudel Junge durch US-Ermittler aus dem Jahr 1946. Es handelt sich um die früheste erhaltene Aufzeichnung ihrer Erinnerungen an das Ende in Berlin. Hitlers Biograf Sir Ian Kershaw hat den Fund als "faszinierend" bezeichnet und bedauert, dass ihm der Text beim Schreiben seines Bestsellers nicht zur Verfügung stand. Es folgen gleich dahinter die Tonbänder aus dem "Todeserklärungsverfahren Hitler, Adolf", die im Staatsarchiv in München entdeckt wurde. Darin erzählen Hitlers Adjutant Otto Günsche und der Leibdiener Heinz Linge, wie sie nach dem Selbstmord des Ehepaars Hitler in den Wohnraum der beiden traten und die Leichen anschließend verbrannten. Ganz besonders interessant war es, die Originaldokumente einzusehen und zu filmen: allen voran Hitlers Testamente und seine Heiratsurkunde, die im amerikanischen Nationalarchiv aufbewahrt werden. Bislang in Deutschland unbekannte Zeitzeugen wie Herman Rothman, der 1945 bei der Übersetzung der Testamente ins Englische half, haben überdies die Produktion bereichert.

WAS WAR FÜR SIE PERSÖNLICH DABEI BESONDERS ÜBERRASCHEND?

Es war besonders überraschend, wie nah man dank dieser einzigartigen Quellen tatsächlich an die Ereignisse im Bunker herankommt - als sei es gestern gewesen.

GIBT ES FILMMATERIAL/FOTOS ODER DOKUMENTE, NACH DENEN SIE NOCH SUCHEN?

1946 brachte der sowjetische Geheimdienst Otto Günsche und Heinz Linge noch einmal zum Schauplatz des Geschehens nach Berlin. Wenn die Begehung des "Führerbunkers" gefilmt oder fotografiert wurde, so würde ich die natürlich gerne als erster zeigen. Besonders spannend wäre es auch, die Verhöre des Hitler-Attentäters Georg Elser zu finden, die angeblich gefilmt worden sind. Elser wurde auf Hitlers Geheiß kurz vor dem Ende im April 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet.

WAS ERWARTET DIE ZUSCHAUER? WAS SIND NEUE ERKENNTNISSE DER DOKUMENTATION?

Die Zuschauer erwartet die einzigartige Möglichkeit, die Geschehnisse des 30.April 1945 auf der Basis authentischer, teilweise unveröffentlichter Dokumente und Erinnerungen hautnah mitzuerleben.