Natürlich, die Fahranfänger!

Natürlich, die Fahranfänger!
© picture-alliance/ dpa, Gero Breloer

Mit Angst und Entsetzen lässt sich jeder Wahlkampf füttern

Von Peter Stützer

Wir wissen nicht, ob Willy Millowitsch ein verantwortungsbewusster Autofahrer war. Verbrieft ist lediglich, dass sein letztes Auto ein Senator gewesen ist und dass er mit Vorliebe und einer gewissen Sympathie den Konsum von Alkohol besungen hat - wahrscheinlich, ohne sich über mögliche Folgen weiter Gedanken zu machen. "Die Liebe und der Suff reiben den Menschen uff" hat er vergnügt gedichtet. Selten so gelacht. Lassen wir die Liebe mal weg: Der Suff fährt an jedem Wochenende in die Schlagzeilen - dann nämlich, wenn sich leichtsinnige Kids nach intensivem Alkoholkonsum ans Steuer ihres Autos setzen. Tote, Verletzte, schlimme Schäden, Schicksale. Auf den kürzesten Weg zum Baum nimmt der kleine Angsthase im Auto meist auch noch Bekannte und Verwandte mit.

Jede Zeit hat ihre Verführer, kaum einer würde sich heute noch von einem Volksschauspieler wie Millowitsch zu irgendetwas verleiten lassen. Damals aber fanden es die Leute eher sympathisch, wenn er leicht trunken seine Liedchen trällerte und den übertriebenen Alkoholkonsum zum Kavaliersdelikt erklärte - harmlos, lustig, gesellig eben: "Wir sind alles kleine Sünderlein".

Die Polizei Bonn hat dieser Tage wegen größerer Sünder aufgeheult: Verkehrssünder, scheinbar nicht zu bändigen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben sich schon mehr als doppelt so viele Unfälle unter Alkoholeinfluss ereignet wie zum gleichen Zeitpunkt 2010, und schlimmer noch: Schon Ende Mai, also nach fünf Monaten des Jahres, wurden in Bonn 18 Unfalltote registriert; im gesamten Vorjahr waren es bloß fünf.

Die Empörung ist groß, und sie soll es auch bleiben. Die ungeschminkte Bilanz der Unfalltoten auf Deutschlands Straßen passt nämlich dem einen oder anderen Politiker ganz gut in den Kram. Mit Angst und Entsetzen lässt sich jeder Wahlkampf füttern, schon trumpfen die Hardliner wieder auf: fordern noch härtere Strafen, noch mehr Kontrollen, machen Druck, stellen eine ganze Generation an den Pranger. Unnachgiebigkeit, nicht Gnade. Wahlkampf mit den Toten, bis der Wähler gar nicht mehr anders kann als dem Lump sein Kreuzchen zu schenken.

Kein Mensch kann Autounfälle mögen; wer also öffentlich dagegen ist, sammelt gleich die ersten Pluspunkt. Und nie fehlt der Hinweis auf die Fahranfänger, die bösen. Stellen gerade mal 8 Prozent der deutschen Autofahrer, verursachen aber 20 Prozent der Unfälle. Ein Skandal ist das. Wer jetzt Härte zeigt, hat das Fähnchen in der Hand; wer Wählerstimmen braucht, wird auch dieses Feld bestellen. Denn wenn es darum geht, jugendlichen Suffköpfen Herr zu werden, ist jede Methode recht und billig, ja auch billig.

Das Klischee vom Mensch gewordenen Alkopop

Natürlich, die Fahranfänger!
© picture-alliance/ ZB, Hans Wiedl

Alkohol, böses Wort, Fahranfänger, etwas gestelzt: In der Kombination liegt der Zündstoff, und das nicht zu knapp. Als Fahranfänger gilt, wer seinen Führerschein noch keine drei Jahre besitzt oder ein U21 ist. Unter 21 Jahren ist der Mensch demnach noch nicht ganz zurechnungsfähig, er hat kein Verantwortungsgefühl, neigt zu Angeber-Attitüden; er verdient härtere Kontrolle und gegebenenfalls noch härtere Strafen. Soll er haben. Ist ja auch nicht ganz verkehrt.

Man kann allerdings dran riechen, wenn der kleine Bösewicht als Mittel zum Zweck hergenommen wird. Es lässt sich prima drohen mit den Rabauken: Wer fürchtet ihn nicht, den Mensch gewordenen Alkopop, der gleich die Kontrolle über seine Auto verliert, in die Menschenmengen rast oder einfach nur auf dem Weg zum nächsten Baum Freundin und Freunde mitnimmt.

Der Polizeipräsident hat das Wort, deshalb ist er ja Polizeipräsident geworden: Natürlich kann das nicht so weitergehen, natürlich wird jetzt mehr kontrolliert, natürlich muss auch das Strafmaß in Zukunft ein anderes sein. Natürlich habe man dabei besonders die Fahranfänger im Visier. Jede Menge Drohgebärden, aber nicht ein Wort über Konzepte, über Ideen, die vielleicht schon vorher greifen könnten. Lieber auf der Stelle treten und dann andere dafür verantwortlich machen, dass es nicht vorwärts geht.

Jedes Jahr kommen 130.000 neue Fahranfänger dazu. Wenn der nächste Kontakt mit den Behörden das Strafverfahren nach einem Unfall ist, dann läuft etwas falsch. Die jungen Leute gehören viel früher abgeholt, denn ganz offensichtlich ist ihre Ausbildung nicht gut genug - in welchem Bereich auch immer. Diese Woche würde die Überlegung von Union und FDP bekannt, die Anfänger künftig drei Monate nach dem Führerscheinerwerb noch einmal ein oder zwei Fahrstunden mit einem Fahrlehrer absolvieren zu lassen. Diese sogenannten Feedback-Fahrten verfolgen den Zweck, noch einmal Fortschritte und Fahrreife des Neulings zu beurteilen. Bevor etwas passiert.

Auch könnten die Versicherungen unfallfreies Fahren zum Einstieg mit Prämien belohnen, statt den jungen Leuten Höchstbeiträge abzuverlangen. Vorab lässt sich womöglich das Schlimmste verhindern - wenn es kracht, ist alles zu spät. In Österreich abgeguckt, ist doch egal, beim lieben Nachbarn gingen nach dieser Neuerung die Unfälle der Fahranfänger gleich um satte 30 Prozent zurück. Ein für allemal sollten dann auch Willy Millowitschs Alkoholhymnen in der Mottenkiste verschwinden. "Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort." In Ewigkeit, Amen.

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