Schrumpf weiter, Bernie!

Die Formel-1-Fahrer verweigern Bernie Ecclestone den Gehorsam
Von Peter Stützer
So schnell gelingt Wiedergutmachung auch nicht alle Tage: Kaum, dass Bernie Ecclestone die komplette Formel-1-Branche wieder einmal in Verruf gebracht hat, kaum, dass er sich arrogant und ignorant selbst über die Politik und die Krisen eines Staates, einer ganze Region hinwegzusetzen versuchte, bevor der Schaden für die Formel 1 irreparabel zu werden drohte, übernahmen Teams und Fahrer gewissermaßen die Initiative und die Verantwortung.
Sie legten an diesem Sonntag in Kanada eine Show hin, wie sie besser, wie sie werbewirksamer kaum hätte sein können. Großer Sport war beim Grand Prix in Montreal zu besichtigen, ganz großer Sport, der so ziemlich alles bot, was im besten Fall drin ist in der Formel 1: fairer Wettstreit, unerbittliche Zweikämpfe, Überholmanöver auf der Piste, nicht am Verhandlungstisch, knappe Entscheidungen, ein überraschender Sieger, packende Stimmung - und Respekt! Respekt für jene, die diesen Sport auch zu schwierigen Bedingungen ausüben, verantwortungsvoll, wie eigentlich ihr Anführer hätte handeln müssen. Dieser fantastische Kanada-Grand-Prix hat vieles überstrahlt, vieles verwischt, aber in Vergessenheit sind die letzten Tage davor trotzdem nicht geraten. Und das ist gut so.
Zur Erinnerung: Ecclestone, der bloß in Dollar oder Euro denkt, zunehmend gerne auch in Dinar, hat, weil der pünktlich zahlte, auch den Wüstenstaat Bahrain in seinen Rennkalender aufgenommen. Nun ergab es sich leider, dass aus Bahrain von gewissen Unruhen zu hören war. Demonstranten wurden von Polizei und Armee niedergeknüppelt, mit Tränengas und Gummigeschossen bekämpft, und nichts deutete darauf hin, dass in solch einer hochexplosiven Umgebung ein Autorennen irgendeinen Sinn ergeben könnte.
Außer Bernie Ecclestone, der hat eigene Kriterien. Wie gesagt: Ab einer bestimmten Summe setzen bei Ecclestone gewisse Kontrollmechanismen aus, der Bahrain-Dinar ist schließlich die zweitwertvollste Währung weltweit nach dem Kuwaitischen Dinar. Da gibt der Engländer, körperlich doch eine eher überschaubare Größe (1,60 Meter), nicht so schnell klein bei. Seine Finanzholding Delta Topco, das ergaben jüngste Untersuchungen, erwirtschaftete 2010 einen Gewinn von fast 1,2 Milliarden Dollar bei einer Umsatzrendite von 78 Prozent. Und was, bitte schön, sind denn schon Menschenrechte gegen Übertragungsrechte?
Bernie Ecclestone regiert mit harter Hand

Indien, Bahrain, was kostet die Welt? Oder: Wem gehört sie eigentlich, die dubiose Welt der Formel 1? Frag nach bei Bernie Ecclestone. Der über allem schwebt. Der kleine Engländer befiehlt einen für Außenstehende undurchschaubaren Mix an Firmen, die sich gegenseitig die Macht garantieren und die Penunzen. Teams und Organisationen werden am Gewinn beteiligt, die Summen sind durchaus nennenswert, wenn auch weder angemessen noch gerecht. Veranstalter lässt Ecclestone ausbluten: Wer nicht mithält, wer seine Rechungen nicht bezahlt, ist draußen.
Das kann Hockenheim passieren, aber Bahrain eben nicht. Ecclestone befiehlt den neuen Renntermin - ob der 30. Oktober nun jemandem passt oder nicht. Die Opposition in Bahrain erklärt diesen Tag schon Mal vorausplanend zum "Tag des Zorns", gezielte Unruhen inklusive. Ecclestone hört irgendwie schlecht, der kleine Despot wankt, fällt aber nicht - noch nicht. Kein vernünftiger Mensch will mehr auf seinen Verschiebebahnhof; die Formel 1 droht zu entgleisen. Die Fahrer verweigern sich ihrem Herrn und Meister, auch die Teams, und plötzlich spielen sogar die Scheichs nicht mehr mit. Niemand hat jemals dieses Rennen gewollt, heißt es plötzlich aus allen Löchern. Ecclestone allein macht jetzt auch nicht mehr wirklich viel her. Und der ganze Formel-1-Verein zeigt ihm und der Welt am vorigen Sonntag in Kanada, wie faszinierend diese Veranstaltung doch sein kann.
Großer Sport, kleiner Herrscher. Er kann gerne weiterschrumpfen.