"Sie wissen das doch am besten"

"Sie wissen das doch am besten"

Das Expertendasein ist Fluch und Segen zugleich

Von Peter Stützer

Besonders gerne hat es immer die Kollegin Moderatorin von der Reisesendung, wenn wildfremde Menschen sie in der Fußgängerzone frontal mit der lästigen Frage attackieren: "Sagen sie mal, wo soll ich denn dieses Jahr Urlaub machen. Sie wissen das doch am besten."

Den Teufel weiß sie, aber sie ist mit dem Dilemma wenigstens nicht allein: "Sagen Sie mal, was für 'n Auto soll ich mir denn jetzt kaufen? Sie wissen das doch am besten." Den Teufel weiß auch ich, bin mir dazu auch immer der Gefahr bewusst, mir mit dem falschen Tipp einen Feind fürs Leben einzuhandeln. Richtig, im günstigsten Fall ist auch ein Freund fürs Leben drin, grundsätzlich aber ist diese Frage eine Zumutung: Was weiß denn ich, wie viel Geld der Mann hat, wie viele Kinder, wie viele Komplexe, wie viel Temperament, wie viel Angst oder wie viel Ahnung?

Der Kellner bei meinem Lieblingsitaliener zum Beispiel, Giovanni, der machte schon bei der Fragestellung ein unheimlich besorgtes Gesicht, als würde von der richtigen Autowahl sein Lebensglück abhängen. Dabei hatte er sich längst entschieden, wusste es nur noch nicht. Jedenfalls traf schon meine erste Nachfrage voll ins Schwarze: "Woran hatten Sie denn so gedacht?" Er hatte, auch ganz logisch, naja, drei Kinder mit der Aussicht auf mehr, einigermaßen Platzbedarf, aber für einen ausgewachsenen SUV könnte es knapp werden in der Garage. Solide sollte er sein, ausdauernd und haltbar. Und von gutem Leumund. Deshalb auf keinen Fall ein Italiener, sagt der Italiener noch - wird schon wissen warum. Also spricht er weise und leise: "Ein Passat vielleicht?"

"Deutsche Wertarbeit" und ihr guter Ruf

"Sie wissen das doch am besten"

Ein Passat vielleicht - heftig nicke ich mit dem Kopf -, klar doch, schon wegen des Platzes, der Kinder, der Garage. Und Italiener ist er auch nicht; Wolfsburger, obwohl da bestimmt viele Italiener bei ihm am Fließband stehen, aber das weiß man auch nicht so genau... Giovanni hat großes Vertrauen in das, was wir "deutsche Wertarbeit" nennen, in mein Urteil sowieso, und als ich dann sage "Passat, wie wär's denn mit einem Passat, schon mal drüber nachgedacht?", gucke ich in glückliche Augen. Ich hätte ihm auch noch die Farbe nennen können - garantiert weiß er sie insgeheim schon, jedenfalls ist das sechs Jahre her. Sechs Jahre Passat, sechs Jahre deutsch-italienische Freundschaft - solange wir über sein deutsches Auto reden, nicht über deutschen Fußball.

Manchmal, denke ich, sind solche Fachfragen doch ganz dankbar. Sechs Jahre Grappa ohne Bestellung und immer noch ein glückliches Gesicht. Vielleicht kann er mir mal sagen, wo in Italien ich am besten Urlaub mache. Er weiß das doch am besten. Und die Kollegin würde etwas entlastet.

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Gerissener Riemen

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