Umgang mit Wildtieren
Häschen in der (Bau)Grube
Frank Weber ist zurück im Expertenteam von hundkatzemaus. An der Seite von Reporterin Diana Eichhorn und Tierarzt Dr. Wolf hilft der Tierschutzexperte mit seiner langjährigen Erfahrung, wenn Tiere in Not geraten sind oder überforderte Tierbesitzer nicht mehr wissen wie es weitergehen soll. Egal ob es um ausgesetzte Katzen geht oder ein neues Zuhause für einen kranken Hund gesucht wird: Frank Weber weiß was zu tun ist und kennt die richtigen Ansprechpartner.

In einem Industriegebiet in der Nähe von Isselburg am Niederrhein sollen zwei große Teichanlagen für japanische Koi entstehen. Ulrich Schumann und seine Mitarbeiter sind gerade mit den Baggerarbeiten beschäftigt, als sie auf einen Kaninchenbau mit mehreren Jungtieren stoßen. Da die Wände des Teiches hoch sind, haben die drei Kaninchenbabys keine Chance zu entkommen. Ulrich hat Mitleid mit den obdachlos gewordenen Tieren. Gemeinsam fangen die Männer die Tiere ein und bringen sie vorübergehend in einem Karton unter. Doch auf der anderen Seite der Baugrube ist ein weiteres Widkaninchen aus einer Röhre gehoppelt. Wildkaninchen sind Nesthocker, die erst nach mehreren Wochen in ihrer Höhle voll entwickelt und damit auch überlebensfähig sind. Da die Tiere noch recht klein sind, ruft Ulrich seine Frau Karin an, die sich an Frank Weber wendet. Der Tierschutzexperte gibt am Telefon erste Tipps, wie man die drei kleinen Mümmelmänner am besten notversorgt: mit einer kleinen Flasche und Katzenaufzuchtmilch sollte man stündlich versuchen, die kleinen zur Flüssigkeitsaufnahme zu animieren.
Wildtiere gehören in Expertenhände!

Dass Wildtiere Bauarbeiten lahmlegen, ist schon häufiger vorgekommen. Allerdings handelt es sich dann meistens um seltene und geschützte Tiere, deren Lebensraum unbedingt erhalten werden muss. Ganz "gewöhnliche" Wildkaninchen haben da eher schlechte Karten, es sei denn sie haben das Glück an einen so tierlieben Bauherren wie Ulrich Schumann und seine Familie zu geraten. Frank Weber macht den Schumanns aber auch klar, dass die Aufzucht von Wildtieren in die Hand von Experten gehört. Die Versorgung von Wildtieren sollte nur von erfahrenen Tierschützern oder Angehörigen einer Wildtierauffangstation übernommen werden, da die Tiere im Idealfall wieder in die freie Wildbahn entlassen werden sollen. Gewöhnen sie sich jedoch zu sehr an den Menschen und verlieren ihr natürliches Verhalten, haben sie später in der Wildnis kaum Überlebenschancen. Zudem handelt es sich rechtlich gesehen um Wilderei, wenn man ein verletztes oder verwaistes Wildtier einfach mit nach Hause nimmt!
Deshalb hat Tierschutzexperte Frank Weber vor, die drei wenige Wochen alten Kaninchen bei Familie Schumann abzuholen, um sie zu einer privaten Pflegestelle zu bringen. Vorher will er sich aber noch einmal den Fundort anschauen und staunt nicht schlecht: in der Baugrube hat sich noch ein viertes Kaninchen versteckt, dass allein keine Überlebenschancen hätte. Frank schafft es, auch das letzte Tier einzufangen und macht sich mit den vier kleinen Langohren im Gepäck auf den Weg zur Kaninchenschützerin Alexandra Weth aus Osnabrück, die seit einigen Jahren mit dem Verein "Kaninchen in Not" und dem Tierheim von Osnabrück zusammenarbeitet und jährlich rund 40 Wildkaninchen aus Notfällen aufpäppelt. In und um ihr Haus hat sie mehrere Stallungen, in denen Notfälle aufgenommen und gepflegt werden. Vor allem Hauskaninchen aus schlechter Haltung werden hier abgegeben. Die erfahrene Tierschützerin legt großen Wert auf eine artgerechte Unterbringung und gesunde Ernährung. Alexandra kennt sich bestens aus und findet auch eine Möglichkeit den Kaninchen nach ca. vier Monaten wieder die Freiheit zu schenken. Frank Weber lässt es sich nicht nehmen, bei der Auswilderung dabeizusein: Da Kaninchen offiziell als Schädlinge gesehen werden, darf man sie nur auf einem Privatgründstück auswildern, nicht in öffentlichen Parks, Wäldern oder Wiesen. Alexandra Weth wird in der Nähe von Bremen fündig: Hier erlaubt Dörte Schenk ihr auf privatem Grund einen künstlichen Startbau mit einer Höhle und zwei Gängen für die Kaninchen zu bauen. Diese erste Rückzugsmöglichkeit ermöglicht es den Tierchen, sich vor Greifvögeln, Marder und Fuchs zu schützen.
Auswilderung sichert Population!
Als Schädlinge gelten Kaninchen vor allem wegen ihrer unterirdischen Bauten, die Bahn- und Straßendämme unterhöhlen und zum Einsturz bringen können. Dabei ist die Auswilderung wichtig für die Wildkaninchenpopulation: Durch die Myxomatose, eine durch Pockenerreger ausgelöste Viruserkrankung, und die so genannte Chinaseuche (RHD, Rabbit hemorrhagic disease) sind die Wildkaninchenbestände in den letzten Jahren immer weiter dezimiert worden. Auch die immer intensiver werdende landwirtschaftliche Feldbestellung bewirkt, dass die Vierbeiner aus ihrem natürlichen Lebensraum vertrieben werden. Kaninchen werden schon im Alter von etwa drei Monaten geschlechtsreif und können ab ihrem zweiten Lebensjahr bis zu siebenmal jährlich Junge zur Welt bringen. Doch auch wenn ein Wurf aus bis zu neun Jungen bestehen kann, ändert das nichts an der rückläufigen Kaninchenpopulation.
Westarp Wissenschaften 2004
ISBN 978-3894327910, EUR 22,54
116 Seiten