Von wegen Krise...

Das überraschende Comeback des Autos
Von Peter Stützer
Hätte das mal einer vorher gesagt. Dass eine Krise so kurzlebig sein kann. Unter Umständen so vorübergehend, so unzuverlässig geradezu. Eine flüchtige Erscheinung mit teils allerdings verheerenden Folgen. Wir hatten doch gerade erst begonnen, mit der Krise zu leben, uns mit ihr einzurichten, was im Übrigen auch ganz neue Möglichkeiten offenbarte. Die sollten konserviert werden, auch oder gerade weil jetzt ja vielleicht doch alles ganz anders kommt. Schön anders. Und keiner weiß so genau, warum.
Denn während die Berufsskeptiker im Lande noch immer mit dem Rotstift Minuszeichen an die Wände malten, den endgültigen Untergang der deutschen Autoindustrie und somit gleich der deutschen Wirtschaft voraussagten, dabei ganz sicher auch Anteil und Schuld von Audi bis Mercedes zu benennen wussten, als also alles im Eimer schien, da kam es plötzlich doch ganz anders. Von wegen Krise. Pustekuchen. Um die Ecke, aus der Tür. "Hier nicht!", hieß es plötzlich auch aus den Vorstandsetagen in Ingolstadt, Wolfsburg, München oder Stuttgart, wo das Lachen doch eigentlich gerade erst verboten worden war. Auch Berlin beteiligt sich mit sofortiger Wirkung an der neuen guten Laune, die Autoindustrie war schon immer der Vorreiter, der Indikator, der Fiebermesser der deutschen Wirtschaft. Geht es den Winterkorns gut, strahlen auch die Merkels übers ganze Gesicht.
Und auch hier: Kaum hatten wir uns an den Anblick der Trauerminen gewöhnt, ist der Stimmungswechsel ganz offensichtlich, zur eigenen Überraschung. Das Jahr, das den Niedergang hätte bringen sollen, machte einfach nicht mit. Es war noch nicht einmal zu Ende, da wurde allseits "Rekord!" ausgerufen. Vom dauernden Schwarzmalen noch ganz benommen, sollen die Kritikaster jetzt plötzlich die aktuelle deutsche Wirklichkeit erklären. Unter vielen neuen war doch kein Modell wirklich spektakulär, kein Geniestreich auszumachen unter Vorständen wie Designern - eher Schwachstellen.
Große Autos = hohe Gewinne
Und doch feiert das Auto 2010 ein Comeback. Keiner weiß so recht, warum. Es empfiehlt sich dennoch ein Tritt auf die Bremse, das große Glücksgefühl verteilt sich noch nicht gleichmäßig über den Markt. Große Autos sorgen für die höchsten Gewinne, die Lust fährt also der Vernunft davon. Im eigenen Land fehlt nach wie vor der rechte Schwung, auch wenn seit Neuestem beinahe überall die Vokabel "Wachstum" zum Repertoire gehört. Das Geld wird mit dem Export gemacht, vor allem durch die Premiummarken, obwohl doch der Tod der Luxusklasse längst ausgerufen war. Mercedes zum Beispiel verkauft selbst in China gar prächtig und korrigiert hier im Monatsrhythmus die Prognosen nach oben - 7 Milliarden Euro Gewinn sollten es wohl werden. Mitten in der Krise.
Alles eine Frage der Perspektive. Bitte schön: Wenn Toyota weltweit 11 Millionen Fahrzeuge wegen bei Vollgas klemmenden Gaspedalen zurückruft, dann ist auch das eine gute Nachricht - eigentlich für alle, nur eben für Toyota nicht. Solange es sich um die Probleme der Konkurrenz handelt, ist halt niemand sonderlich zimperlich. Hatte nicht eine exklusive Studie ein "grausames Autojahr 2010" vorhergesagt? War nicht sogar von einem kommenden "Massaker" die Rede? Aber sicher, auch ein Massaker hebt die Stimmung, solange es auf den Hinterhöfen der Konkurrenz stattfindet.
So empfiehlt es sich, zum Jahresbeginn 2011 die größten Miesmacher mit den größten Schönrednern in einen Topf zu werfen, unter leichtem Umrühren auf Sparflamme garen zu lassen, einen Löffel Demut dazu, ein Mindestmaß an Ehrlichkeit und Realitätssinn, Vernunft und Bescheidenheit. Sicher: Der Markt ist kein Spielplatz, das Geschäft keine Hüpfburg, die Sitten sind rau, die Konkurrenz wirft auch nicht gerade mit Wattebäuschen.
Und doch sollte über Gewinnsucht, Konkurrenzkampf, Eitelkeit und Maßlosigkeit im Trachten nach immer mehr eigentlich anderes im Vordergrund stehen: Die wirklichen Maßeinheiten müssen Mensch und Umwelt sein. Die spielen im großen Geschäft nach wie vor keine angemessene Rolle. Wer wirklich umweltfreundlich fahren will, modern, verantwortungsbewusst und vor allem für kleines Geld, der braucht hier vor allem eins: Geduld. Im Ausland wird er wesentlich besser bedient, in Deutschland fährt er hinterher. Und keiner weiß so recht, warum.