Was ist eigentlich... Service?

Die Chinesen machen kurzen Prozess
Von Peter Stützer
Früher hätten wir Unwissenden den Duden zur Hand genommen, heute googelt der Computer für uns - sei's drum: Das gesuchte Wort wurde aus England oder aber auch aus Frankreich nach Deutschland eingeführt. Es heißt "Service", und man kann sich prima über die richtige Aussprache und Übersetzung streiten. Unsere Nachbarn aus Frankreich bezeichnen so einen zusammengehörigen Satz von Essgeschirr. Das ist durchaus richtig, aber nicht ganz das, was wir suchen.
Fündig werden wir in England; dort wird der Begriff "Service" mit jeder Art von Dienstleistung gleichgesetzt, auch "Kundendienst" genannt, und - aufgepasst! - mit der Überprüfung eines Kraftfahrzeugs in einer Werkstatt. Bingo. Die Unterscheidung in großen Service und kleinen Service findet sich nirgendwo, scheint also eine rein deutsche Finesse zu sein. Dem Kunden wird am liebsten der große Service aufgequatscht, schon wegen der großen Rechnung und so.
Jetzt China. Hier prallen Welten aufeinander. Einerseits: Wunderbares Knochenprozellan namens Bone China, im Service (französisch) nicht gerade billig, aber immer häufiger spielt in China Geld keine Rolex, auch oder gerade wenn es um das Thema Auto geht. Was kostet die Welt, wir kriegen wir vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu - zwei Beispiele also aus dem Land der aufgehenden Wonne, die nur einen Schluss zulassen: Service ist ein Fremdwort für alle. Und jeder geht anders damit um.
Wehe, wenn in China der Service nicht stimmt!

Es wird also aus Qingdao berichtet, dass ein Chinese - offenbar recht vermögend - seinen Lamborghini aus der Werkstatt abholte und mit dem Service denkbar unzufrieden war. Völlig undenkbar in unseren Gefilden wäre seine spontane Reaktion. Er heuerte eine wüste Schlägertruppe an, neun Mann hoch, der Werkstattbesitzer hätte gar nicht fliehen müssen; dem Lamborghini Gallardo gehörte die ungeteilte Aufmerksamkeit. Bestimmt hundert Zuschauer fanden sich schnell ein, um mit gemischten Gefühlen der Hinrichtung eines fehlerhaften Autos beizuwohnen: Neun Schläger im blauen Overall ließen den schweren Hammer kreisen, machten aus dem bedauernswerten Gallardo einen Trümmerhaufen - 139.200,- EUR deutscher Listenpreis. Wer hat, der hat, und wer nicht mehr hat, der kauft sich einen neuen. Sicher keinen mehr dieser Sorte, wobei wir annehmen wollen, dass dieses Exemplar aus den unerfreulichen, ganz alten Zeiten stammte, bevor also Audi begann, sich als neuer Eigentümer der Marke Lamborghini um zu große Spaltmasse und ähnliche Schludereien zu kümmern. Wiewohl, die Vorwürfe waren massiv und offenbar berechtigt; die Absicht, auf Missstände im Service aufmerksam zu machen, ging völlig auf.
"Servicewüste" - ein deutsches Phänomen?

Aber bitte, es ist nicht nur der filigrane Italiener, den die ganze Wucht des wütenden Kunden trifft. Es scheint in China eine Tradition für diese ungewöhnliche Art der Meinungsäußerung zu geben. Vor sieben Jahren sorgte ebenfalls ein Chinese für Aufsehen, als er - unzufrieden mit der Leistung der Vertragswerkstatt - seinen Mercedes SLK von sieben Schlägern demolieren ließ, um anschließend die sterblichen Überreste des Roadsters von einem Ochsen durchs Dorf Wuhan ziehen zu lassen. Versehen mit der Aufforderung ans umstehende Publikum, doch mitzumischen - wer hat noch nicht, wer will noch mal. Das Plakat war nicht zu übersehen: "Das ist ein Mercedes-Benz. Lasst uns ihm einen Tritt versetzen".
In Deutschland ist das Wort "Servicewüste" entstanden und groß geworden, wahrscheinlich aus gutem Grund. Mitunter trifft der Kunde hier auf den Verkäufer als König, der sich ungern im Mittagsschlaf stören lässt - und wenn, höchstens zwischen zwölf und Mittag. Die Servicewüste ist zum natürlichen Lebensraum dieser Spezies geworden, hier kann sie ruhen und ihre schlechte Laune ausleben, bis der Kunde gefrustet von dannen zieht - ja hat der denn kein Internet? Aber es heißt auch, die Entwicklung sei positiv, die Servicewüste würde schrumpfen. Chinesische Verhältnisse seien nicht in Sicht. Doch bis in die Autohäuser scheint sich diese neue Erkenntnis noch nicht herumgesprochen zu haben. Wie denn auch? Abteilungsleiter, Verkäufer: Immer, wenn wir vorstellig werden wollten, war grad keiner da.