: Wird Zeit, dass Dating schwul wird

Von Tobias Elsaesser

Hetero, männlich, zehn Jahre lang Redakteur in der Newsredaktion... und jetzt eine Kolumne über eine Dating-Show? Gut, ich bin Single, aber bei "Prince Charming" datet ein Mann Männer, also bin ich im Grunde auch schon wieder raus. Außerdem habe ich noch nie zuvor eine Dating-Show verfolgt, ich habe gerade so eben mitbekommen, dass es so etwas gibt. Bei "Prince Charming" wurde jedoch meine Aufmerksamkeit geweckt. Ich habe beim Vorbeilaufen an der Ankündigung nicht wie üblich die Nase gerümpft, sondern den Blick gehoben. "Dating ist schwul" – na so schlimm isses doch auch nicht, dachte ich. Und da war sie wieder, diese Homophobie, mit der ich sozialisiert wurde. Und ich musste da mal kurz drüber nachdenken.

«Prince Charming»: Schwuler Bachelor sieht «Lehrauftrag»
© dpa

Als "schwul" noch ein Schimpfwort war

Als ich Ende der Achtziger Jahre in der Pubertät war, war "schwul" im Grunde nicht mehr als ein Schimpfwort. Und Mann war nicht schwul. Schon gar nicht auf einem Gymnasium in kirchlicher Trägerschaft. Seitdem ist viel passiert. Man könnte bei einem flüchtigen Blick auf den Alltag fast das Gefühl bekommen, als wäre Homosexualität in der Gesellschaft angekommen. Wir hatten mit Guido Westerwelle sogar einen schwulen Außenminister, haben jetzt mit Jens Spahn einen schwulen Gesundheitsminister. Und der ist sogar in der CDU, also in einer konservativen Partei. Ist doch alles gut.

Und dann schießt mir oben genannter Gedanke durch den Kopf, doch ich kann ihn einordnen und weiß: "Schwul Sein" ist in Deutschland noch lange nicht in der Gesellschaft angekommen. Und so finde ich, ohne bisher eine Sekunde gesehen zu haben: Eine schwule Datingshow? Geile Idee, relevante Idee, dringend nötig.

Unabhängig von der sexuellen Orientierung: Männer sind Zicken

Dann begebe ich mich also mal in die Welt unter der Sonne Griechenlands, wo 20 Männer um die Gunst des ersten "Prince Charming" kämpfen. Wie wird sich eine Horde Typen untereinander so benehmen? Versuchen sie sich – wie bei den Balzspielchen um Frauen üblich – über ihre Männlichkeit zu definieren? Über ihre Härte, ihre Coolness, die irgendwie ihre Schwanzlänge symbolisieren oder kompensieren soll? Und wie verhalten sie sich, wenn es so richtig an die Gefühle geht? Denn seien wir ehrlich: Völlig unabhängig von der sexuellen Orientierung, wenn Eifersucht ins Spiel kommt, mutieren Männer zu richtig fiesen Zicken und können vor lauter Weißglut nicht mehr allzu weit denken. Der Vorspann jedenfalls verspricht das volle Programm: Romantik, Sex, Streit, Zickenkrieg, Tränen, Versöhnung.

20 Blind Dates auf einmal

Objekt der Begierde ist Account-Manager Nicolas Puschmann (28), begeisterter Sportler, was offensichtlich wird, als man bei seiner Vorstellung seinen nackten Hintern im azurblauen Wasser des Pools bewundern kann. Knackig, muss man zugeben - sieht er selbst genauso.

Und er hat - wie auch seine Mutter, die der heimliche Star der ersten Folge ist - einen Aufklärungsauftrag: Wenn zwei Männer sich küssen, ist das kein Grund wegzuschauen, sagt Nicolas. Denn es sind zwei Menschen, die eine Emotion teilen. Das finden viele doof, kann man aber nicht verleugnen.

Das, was Nicolas von dem Mann seines Herzens erwartet, ist nicht besonders ausgefallen, aber bodenständig: Die Mischung von Innerem und Äußerem muss stimmen, wobei das Innere wichtiger ist. Und er mag es, wenn man ihm zum Lachen bringt, sagt er und lacht dabei. Man glaubt ihm und wünscht ihm viel Glück. Und starke Nerven. Denn "Prince Charming", der Mann der nach eigenen Worten noch nie ein Blind Date hatte, hat in Kürze 20 auf einmal.

Diese 20 Blind Dates treffen einer nach dem anderen in der Villa ein, trinken Sekt und beginnen, sich gegenseitig abzuchecken. Wer ist ein ernstzunehmender Konkurrent, wer nicht? Auch bei mir kristallisieren sich klare Sympathien heraus. Ich bin wirklich gespannt, wie es weitergeht und bei wem ich mit "Prince Charming" Nicolas übereinstimme.

Und ich frage mich, wie viel Sekt der erste, der in der Villa angekommen ist (Lars aus Düsseldorf), wohl getrunken hat, wenn schließlich der "Prince Charming" kommt. Die Antwort lautet: Viel. Aber er steht dazu, während andere zu tuscheln beginnen.

Im Video: Die Preview für die 1. Staffel von "Prince Charming"

So dramatisch & aufregend wird "Prince Charming"
Video 02:40Min.
So dramatisch & aufregend wird "Prince Charming"

Wie immer: Freud und Leid liegen nah beieinander

Mittlerweile ist der Abend hereingebrochen, alle sind da, außer dem, den sie alle wollen. Aber er kündigt sich per Videobotschaft an. Die Aufregung steigt. Männer im Stress durchwühlen ihre Koffer auf der Suche nach dem besten Outfit. Der Strand wird beleuchtet von einer Phalanx aus Fackeln, und dann fährt er vor, in einer weißen Kutsche mit einem weißen Pferd, und jeder mag was er sieht. Und auch "Prince Charming", der im dunklen Smoking mit Einstecktuch und passender Krawatte dressmäßig alle in den Schatten stellt, konstatiert: "Ich bin im richtigen Garten." Es kann also "sexy" werden, meint er.

Es wird aber erstmal schwierig, jeder möchte ein Stück vom Prince, und so mancher Kandidat ist sehr forsch oder "hängt sich wie eine ungeb***te Jungfer" an des Princes Rockzipfel, wie es Kandidat Aaron aus Köln formuliert. "Einnehmend" nennt Nicolas das. Das ist nett ausgedrückt. Andere würden es vielleicht als bedrängend empfinden, und mir ringt "Prince Charming" Bewunderung ab, wie souverän und vor allem freundlich er damit umgeht.

Doch nicht jeder nutzt die Chance, denn wie überall gibt es eher Schüchterne und eher Draufgängerische, Plumpe und Subtilere, und nur ein oder zwei, die das richtige Maß kennen. Es existiert eben kein Königsweg, um den Funken zum Überspringen zu bringen.

Und so gehen am Ende des Abends, als der Prince keine Rosen, sondern stilecht schwarze Krawatten verteilt, drei Männer leer aus und müssen das Haus verlassen. Wenn es um die Hoffnung auf die große Liebe geht, liegen Freud und Leid nah beieinander. Egal, auf wen oder was man steht.

Bleibt nur noch das persönliche Fazit meiner ersten "Dating-Show-Experience": Ich muss zugeben, es hat mich gepackt. Ich bin echt gespannt, für wen sich der Prince entscheiden wird. Und vor allem, wie sich die Dynamik in seinem Woche für Woche kleiner und exklusiver werdenden Hofstaat entwickelt. Ich bleibe auf jeden Fall dran.