Detroit im Taxi? Nie wieder!

Automesse in schwierigem Umfeld

Von Peter Stützer

North American International Autoshow - Mercedes-Benz
© dpa

Einmal wollte ich die Pistons sehen. Basketball in Detroit. Doch deren Halle, "The Auburn Palace", liegt ein gutes Stück weit draußen auf dem platten Land; ich war also gut beraten, ein Taxi zu nehmen. Der Fahrer war schwarz und unglaublich dick, das Gesicht ohne Ausdruck und gleichgültig - eben auch nur ein Spiegelbild der Stimmung in dieser Stadt, in der es halt wenig zu lachen gibt. Da ich nur noch 40 Dollar in der Tasche hatte, schien es mir angebracht, alsbald nach dem Fahrpreis zu fragen. Wahrscheinlich war das zu viel verlangt. Der Zweieinhalb-Zentner-Koloss quälte die Antwort mürrisch zwischen den schlechten Zähnen hervor, "Forty Dollars", und ab sofort war Schluss mit freundlich: Er wollte das Geld sofort sehen, griff es und steckte es in die Tasche.

Wir fuhren raus aus der City und rein in die Vororte, die Eminem gemeint haben muss. Schier ewig fuhren wir durch den dunklen Abend, fuhren und fuhren, von Highway zu Highway, bis der Dicke die Autobahn verließ, runter von der beleuchteten Straße, auf einen furchtbar schlechten Weg in noch schlechterer Gegend. Hier möchte man wirklich nicht freiwillig anhalten, so finster. Er aber hielt an. Sagte erstaunlich leise: "Die 40 Dollar und noch mal 40!" Er sah in mein erstauntes Gesicht, und jetzt schrie er: "Vierzig!" Und riss meine Tür auf. "Das ist keine Gegend für den weißen Mann, ich schmeiße dich raus, wenn du nicht zahlst - und das wirst du hier kaum überleben." Nun: Da hat er wahrscheinlich sogar Recht, aber meine Taschen waren leer. Ich hatte eh nicht die Wahl, schrie also zurück, ich habe seine Cab-Nummer notiert, drohte mit Polizei, fand mich sehr mutig. Und tatsächlich: Als er irgendwann einsah, dass bei mir nichts zu holen war, gab er fluchend Gas und ließ mich zehn Minuten später vor dem "Palace" aus dem Wagen.

Das ist Detroit, die Wirklichkeit, die Grausamkeit, die Kriminalität. Keiner liest mehr die Statistiken der Raubüberfälle, der Morde auf offener Straße; sie haben hier das Zählen längst aufgehört. Soll nur keiner sagen, in Detroit sei nichts los, in Detroit erlebe man nichts. Es gibt viele solcher Gegenden und viele solcher Taxifahrer, die mit ihren Drohungen bestimmt oft genug Erfolg haben. Aber irgendwie kümmert das auch gar nicht, Gesetze gelten eh kaum noch in der Millionenstadt, die Polizei ist überfordert oder ängstlich - selbst schuld, wer hier des Nachts auf die Straßen geht. Wer soll diese Gestalten auch packen, es sind zu viele. Die Stadt ist ein einziger Mülleimer. Leerstehende Häuser, eingeschlagene Scheiben: Man hat sich an das triste Bild der Vorstädte gewöhnt.

Hoffen auf Besserung in "Motor City"

President of Russia Vladimir Putin meets with President of Mongolia Ukhnaagiin Khurelsukh
© IMAGO/SNA

Viel deprimierender aber erscheinen die runtergekommenen Hochhäuser mitten in Detroits City. Hier wird nicht mehr gewohnt, nicht mehr gearbeitet, hier leben Ratten und Obdachlose. Und jedes Jahr im Januar, wenn wir Journalisten aus aller Welt zur North American International Auto Show in die Stadt strömen, wenn wir auf die Hochhäuser gucken, auf die Menschen, auf die Stimmung in Detroit, dann hoffen wir und behaupten, es sei doch wirklich ein kleines bisschen besser geworden. Es wäre zu schön, denn das ist "Motor City", die Autostadt, und alle hoffen irgendwie, dass es ihr gut geht, wenigstens besser. In Detroit sind doch die großen drei zuhause: Chrysler, General Motors und Ford. Als es ihnen noch gut ging, da blühte die Stadt; als sich der Wind drehte, Krisenwolken aufzogen, brach hier so ziemlich alles zusammen. Jetzt wartet alle Welt, dass es denen wieder besser wird, bald, und es gibt doch auch Anzeichen.

Ford-Boss verspricht neue Jobs

North American International Auto Show
© dpa

Ist der Messe-Auftritt von Ford diesmal nicht schön optimistisch? Nicht riesig, aber groß; nicht lautmalerisch, sondern selbstbewusst. Der Tiefpunkt ist überwunden, von nun an geht's bergauf - das hat am Vormittag Bill Ford in die Kameras und Mikrofone gesprochen, dabei vorsichtig jubiliert. Das ist doch mal gute Laune, die man anfassen kann! 7.000 neue Jobs will der Ford-Boss in Amerika schaffen, und weil die Amis nach guten Nachrichten lechzen, wird ihm mal geglaubt, wird er auf die Titelseiten der Tageszeitungen gehievt - Ford hat's geschafft. Die vielen neuen Modelle treffen sich auf einer Plattform, das spart Geld und erntet Beifall, es haben sich diverse Focus-Variationen angesagt: Limousine, Fünftürer, Kombi, Sportmodell ST. Bitteschön, auch Urgroßvater Henry hat seinerzeit mit der Vervielfältigung des T-Models viel Geld gemacht und nebenbei Geschichte.

Wir erinnern uns schmunzelnd - jetzt kann man es ja erzählen: Im Vorjahr fand sich am Ford-Stand ein Computer mit Internetzugang, und wir haben in einem unbeobachteten Moment mein Konterfei als Hintergrund auf rund 20 Messe-Monitore gezaubert. Keiner wusste den Mann zu entfernen; erst als sie mit der Polizei drohten, waren wir nach einer guten halben Stunde behilflich. Die Nerven lagen also blank, sie haben sich 2011 eindeutig erholt. Und doch: die Kehrtwende, den großen Aufschwung der amerikanischen Automobilindustrie kann auch Ford nicht verkünden. Der Auftritt täuscht; General Motors und Chrysler taumeln da viel ehrlicher knapp am Abgrund vorbei - bescheiden, blass, hilflos. Chrysler hätte wohl gerne, dass der neue 300er Geschmack auf mehr macht, auf mehr Luxus. General Motors schmückt sich mit dem Titel "Car of the Year"; der Volt weiß gar nicht, wie ihm geschieht. Und auch die Fachleute wundern sich, denn das Auto ist nicht mal neu.

Deutschen Premium-Marken mit hohen Gewinnen

detroit 2011 003

Ist es die Gunst der Stunde, ist es gutes Timing? Wo die verunsicherten Amerikaner Lücken lassen, machen sich sofort die Deutschen breit. Der 918 RSR Porsche ist aber auch eine Schau, wie sie hier lange keiner gesehen hat. Reserviert für 500 ausgesuchte Millionäre - das ist nicht wirklich nett. Der Mercedes SLS E-Cell erntet in Amerika lauten Beifall - schön, schnell und sauber -, und der US-Passat soll das Amerika-Geschäft endlich auch für Volkswagen lukrativ machen. So gesehen freuen sich die deutschen Hersteller offensichtlich darüber, dass es den amerikanischen Markt gibt, namentlich Detroit. Sie finden wenigstens hier reichlich Lob und Anerkennung, auch in Form von guten Umsätzen: Die deutschen Premium-Marken machen in den USA aktuell hohe Gewinne.

Den Amerikanern muss nach wie vor angst und bange sein; so schnell wie einige meinen, kommen sie nicht mehr auf die Beine. 15 Mal habe ich seit 1995 zum Jahresanfang die Cobo-Hall betreten, immer in der leisen Hoffnung auf sichtbare Besserung. Doch wenn es Besserung gab, dann allenfalls unsichtbar. Selbst vom Besuch der Detroit Pistons ist meinerseits abzuraten. Ich empfehle jetzt Eishockey: Die Detroit Red Wings haben elfmal den Stanley-Cup gewonnen, und die Joe Luis Arena schließt gleich an die Cobo-Hall an, fußläufig zu erreichen. Eine Taxifahrt kann in dieser Stadt doch viel zu gefährlich werden.