"Wat is en Winterreifen"?
Von Peter Stützer

Bömmel, der gute alte Lehrer Bömmel, hätte es wohl so gesagt: "Da stelle mer uns mal janz dumm." Vor 66 Jahren wurde so im Film "Die Feuerzangenbowle" mit Heinz Rühmann der Grundfrage "Wat is en Dampfmaschin?" hinterher gerätselt.
Auf ähnlich verzweifelte Gesichter würde der Gymnasialprofessor heute vermutlich bei der Wissensfrage "Wat is en Winterreifen?" treffen, obwohl die Antwort seit dem 4. Dezember 2010 von großer, bisweilen sogar existenzieller Bedeutung für den einen oder anderen sein kann. Winterreifen sind seit diesem Datum nämlich erstmals Pflicht in Deutschland. Befragen Sie also zehn Passanten auf der Straße, werden Sie außer auf reichlich Unverständnis auf mindestens zwölf verschiedene Meinungen stoßen. Treffen drei davon die richtige Antwort, dürfen Sie schon zufrieden sein.
Die Verwirrung ist nämlich groß seit diesem Tag, gelinde gesagt; sie bezieht sich auch nicht nur auf Autofahrer. Vorneweg forcieren wie immer die Behörden das Chaos: Mal fehlt das Salz, mal der Durchblick - wie hätten sie auch ahnen können, dass der Winter gelegentlich von Eis und Schnee begleitet wird und ausgerechnet diesmal auf die Monate Dezember und Januar fällt? Dem deutschen Autofahrer sowie dem in Deutschland Auto Fahrenden wird die Bürde aufgetragen, selber entscheiden zu müssen, ob das Weiße draußen auf der Straße Reif ist oder Puderzucker und ob man bei dem bisschen Niederschlag gleich von winterlichen Straßenverhältnissen reden muss. Die wären nämlich winterreifenpflichtig und somit teuer.
Und überhaupt: Wat is en Winterreifen? In der Straßenverkehrsordnung wurde der Begriff in diesem Winter vorsichtshalber komplett gestrichen. Das verhindert langwierige Diskussionen mit den Autofahrern, die außer Winterreifen gar nichts anderes kennen als Winterreifen - zumal im Winter. In der Illustrierten "Stern" steht geschrieben: "Als Winterreifen gelten künftig solche Räder, die schon bisher landläufig als Winterreifen bezeichnet wurden." Da wird die Sache doch gleich deutlicher - wer lesen kann, ist halt klar im Vorteil!
Verwirrung um Kürzel
M und S, das sind in Zukunft die Buchstaben, denen wir vertrauen sollen: Matsch und Schnee. Leider kein geschütztes Kürzel; wer wollte, könnte es auf mittelprächtige Allwetterreifen drucken. Experten empfehlen deshalb eine verträumte Schneeflocke, zusätzlich an der Reifenseite eingraviert, samt Geburtstag und Haltbarkeitsdatum. Also wer sich da nicht zurechtfindet, der ist selber schuld und sollte lieber gleich zuhause bleiben. Das darf er nämlich auch mit Sommerreifen.
Dieser Winter wird hoffentlich reichen, den Leuten die neuen Bestimmungen einzubimsen, vielleicht ließe sich derweil auch noch die ein oder andere Formulierung ins Verständliche übersetzen, sagen wir mal 60 Prozent. Eine Direktleitung wird dann hoffentlich auch nach oben führen - Petrus weiß ja sonst von gar nichts. Und über Schnee und Eis will der schon noch alleine bestimmen, das Feld soll sich nicht auch noch dieser Verbandsboss Matthias Wissmann unter den Nagel reißen.
Es gäbe auch so für ihn genug zu tun. Denn was die Autofahrer längst richtig machen, machen Busse und Lkw mit Sturheit verkehrt. Meist waren es doch auch in diesem Winter die Schwergewichtigen, die hilflos – Heinz Maegerlein, Gott hab ihn selig - an den Hängen standen und Pisten. Sommerbereift und oft genug am Rande der Legalität im Umgang mit der Reifenkennung: M und S – "mach doch selber". So werden sie jedes Jahr die ersten quer stehenden Hindernisse auf den Autobahnen. Winterreifen müssen sie bloß an der Antriebsachse aufziehen.
Gar nicht so einfach für manch einen: Verdammt, wo war die noch? Frei nach Professor Bömmel: Da stelle mer uns mal janz dumm...