Karl Lagerfeld - Autorin Martina Neuen hat Karl Lagerfeld 18 Monate begleitet

Autorin Martina Neuen hat Karl Lagerfeld 18 Monate mit der Kamera begleitet

Sie haben Karl Lagerfeld 18 Monate mit der Kamera begleitet. Was haben Sie alles zusammen erlebt?

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Was ich alles mit Karl Lagerfeld erlebt habe, kann man schwer in ein paar Sätze packen. Wir waren viel in der Welt unterwegs wie beispielsweise in Singapur, New York, London, Paris, Hamburg oder Berlin. Karl Lagerfeld hat uns hinter die Kulissen blicken lassen und uns zu seinen Modenschauen, Foto-Shootings und Shop-Eröffnungen mitgenommen. Wir waren einfach überall mit ihm unterwegs. Das was wir erlebt haben, ist so viel, dass es nicht in so einer kurzen Zeit erzählt werden kann – und genau deshalb sollte man sich die Dokumentation anschauen.

Wie lange kennen Sie Karl Lagerfeld schon?

Ich habe Karl Lagerfeld 1999 kennengelernt. Damals hatte er sein kreatives Hauptquartier, das Studio 7L, in dem auch sein Buchladen und sein Foto-Studio sind, eröffnet. Das war eine Parfumpräsentation für Elizabeth Arden, für die er damals ein Parfum kreiert hatte. Dort wurde im großen Stil mit internationaler Presse der Launch des Parfums zelebriert. Ich war im Auftrag von RTL zwei Tage lang dort. Es war eine witzige Erfahrung, weil Karl Lagerfeld nicht ganz pünktlich war und es zu einem Stau von Journalisten kam. Unser Interview hat sich dann um mindestens fünf Stunden verschoben. Als er so weit war, wollten wir in den Raum und erst mal unser Licht aufbauen. Das Problem war aber: Karl Lagerfeld war schon im Raum und kennt sich natürlich auch aus in Sachen Licht. Wir mussten aber noch alles vorbereiten und die Frage war: Was macht man jetzt mit ihm? Jürgen, dem Kameramann, liefen Schweißperlen die Glatze runter, weil er wusste, dass er unter Beobachtung steht. Ich wusste, dass es noch eine viertel Stunde dauert bis alles startklar ist und so machte ich ein bisschen Smalltalk mit ihm. Ich habe gesagt: "Sie geben jetzt schon den ganzen Tag Interviews. Ist Ihnen das nicht zu langweilig, das gleich nochmal zu machen?“ Er antwortete: „Das kommt immer auf den Interviewer an. Und Sie sehen jetzt nicht so aus, als fiele Ihnen nichts ein.“ Da war dann direkt das Eis gebrochen. Er war lustig und nett. Das nimmt sofort die Angst und den Respekt, den man hat. 2005 habe ich dann angefangen, die Modenschauen regelmäßig zu begleiten. Seitdem hat sich die Bekanntschaft zu ihm dann intensiviert. Irgendwann hat er angefangen mich wiederzuerkennen und hat mir den Spitznamen „Die Jungfrau von Neuss“ gegeben, weil ich gebürtig aus Neuss komme. Es hat sich einfach ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Zudem spielt eine Rolle, dass ich seine Sprache spreche. Zu Leuten, die dieselbe Muttersprache sprechen, hat er einen anderen Draht. Ich habe schon das Projekt „100 Prozent Karl Lagerfeld“ für RTL gemacht, dort erzählt er aus seinem Leben. Die Zusammenarbeit war dort bereits intensiv. Wenn so etwas funktioniert, dann sind auch Dinge möglich, die darüber hinausgehen.

Wie kam die Idee für den Titel der Dokumentation „Mode als Religion“?

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Wie kam die Idee für den Titel der Dokumentation „Mode als Religion“?

Die Idee zum Titel „Mode als Religion“ kam, als ich einen Zeitungsartikel aus dem „Spiegel“ in der Weihnachtszeit las. Dieser hieß: „Shopping als Weltreligion“ und es wurde erklärt, wie Menschen verschiedener Konfessionen den Markengott anbeten. Es wurden Metaphern wie Shopping-Tempel, Modepapst usw. genannt. Es ging in diesem Artikel zwar nur um Shopping, mir ist aber klar geworden: Karl Lagerfeld ist der Modepapst. Ich kann diese Metapher noch stärker auf die Modewelt als Pseudoreligion anwenden. Da gibt es entrückte Figuren, wie die Models oder Prominente, die von Menschen verehrt werden wie Ikonen. Die Menschen fühlen sich erhört, wenn sie diese auf der Straße sehen und mit ihnen ein Foto machen dürfen. Zudem gibt es Huldigungen bei den Modeschauen. Als VOX auf mich zukam, dachte ich sofort an dieses Projekt und ich wusste auch, dass es Karl Lagerfeld interessiert. Ich habe mich darüber schon einmal mit ihm unterhalten. Überzeugen musste ich ihn gar nicht. Wenn er etwas interessant findet und er es vorher noch nie gemacht hat, dann willigt er auch ein. Für ihn ist es immer entscheidend, dass er etwas macht, was er vorher noch nicht gemacht hat.

Sieht sich Karl Lagerfeld selbst als Modepapst?

Nein, Karl Lagerfeld sieht sich selbst nicht als Modepapst. Dies betont er auch immer wieder in der Dokumentation. Er findet das übertrieben. Er sagt, er sei ein Mode-Missionär, aber mit dem Ausdruck Papst könne er nichts anfangen. Er nimmt es vielleicht als Kompliment, wenn es andere Menschen sagen, aber er selbst findet den Ausdruck nicht so toll.

Ist Karl Lagerfeld religiös?

Karl Lagerfeld ist so frei, er braucht keinen, der ihm einen Weg vorgibt. Er folgt niemandem, der ihm was sagt. Er ist stark und frei, sich das alles selbst zu bauen. Er ist eben ein Individualist. Er würde keinem Papst folgen.

Was war das lustigste Erlebnis, das Sie mit Karl Lagerfeld hatten?

Das ist schwer zu beantworten. Karl Lagerfeld ist so schlagfertig, es kommt nie vor, dass er mal nicht das letzte Wort hat. Mit ihm zu arbeiten ist immer ziemlich lustig. Er besitzt auch diese unendliche Leichtigkeit des Seins. Er hat immer einen Spruch oder Witz parat und er benutzt die Sprache immer auf eine ganz besondere Art und Weise. Man erlebt so viele lustige Situationen mit ihm. Er ist einfach ein Unikum.

Was wird die Zuschauer am meisten überraschen, wenn sie die Dokumentation sehen?

Die Zuschauer werden in der Doku davon überrascht sein, dass Karl Lagerfeld so lustig ist. Als Mensch ist er durch seine Generosität, seine Fairness und die Freiheit, die er anderen erlaubt, total beeindruckend. Was mich persönlich an ihm beeindruckt ist, dass er ein Mensch 3.0 ist. Er ist ein freies Individuum und lässt sich durch nichts beschränken, es sein denn, er beschränkt sich selbst. Das ist sehr beeindruckend. Dieser Funke sprüht auf andere Leute über. Die Freiheit, die er selber lebt, strahlt auf andere ab. Dass er das erlaubt, ist beeindruckend. Es gibt wenige, die so berühmt sind und andere so viel sehen lassen, wie er.

Hat Sie die Begegnung mit Karl Lagerfeld verändert?

Die Begegnung mit Karl Lagerfeld hat mich auf jeden Fall verändert. Nicht nur die mit ihm, sondern auch die Begegnung mit seinen engsten Leuten. Diese Leute regieren Weltimperien mit einer Leichtigkeit des Seins. Es macht großen Spaß, mit ihnen zu arbeiten.

Welche Rolle spielt Mode in Ihrem Leben?

Mode spielt in meinem Leben schon eine Rolle. Mode ist Teil meines Jobs. Ich bin aber keine Fashionista.

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