: Interview mit Tim Mälzer zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“

Im neuen Generationenprojekt: „Herbstresidenz mit Tim Mälzer und André Dietz“ stehen Menschen mit Behinderung alten Menschen zur Seite. Im Rahmen des Projekts können sie eine Qualifizierung zum Alltagshelfer absolvieren und so langfristig außerhalb von Behindertenwerkstätten eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt finden. Im Interview spricht Tim Mälzer über das Projekt.

Wie wird das Pflegeheim zu einem lebenswerten Ort?

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Du hast mit dem VOX-Format „Schwarzwälder Hirsch“ schon mal ein außergewöhnliches Projekt umgesetzt. Jetzt die „Herbstresidenz“. Wie kam es dazu und was ist dein persönliches Anliegen?

„Die Idee entstand im Nachgang zu „Zum Schwarzwälder Hirsch“, wo wir bereits sehr positive Erfahrungen mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt gemacht haben. Einige unserer Protagonisten haben damals schon den Wunsch geäußert, vielleicht mal in der Pflege tätig zu sein. Bei der Weitervermittlung mussten wir dann aber schnell feststellen, dass dafür gar kein „Boden“ vorbereitet war. Hinzu kamen Gespräche im Familienkreis über das Thema Altersheime und die eher ablehnende Haltung gegen eine Unterbringung vor Ort, die ich bei einigen gespürt habe. Aus diesen beiden Punkten ist dann die Idee zur „Herbstresidenz“ entstanden. Sprich: Was können und was müssen wir tun, um ein Pflegeheim zu einem lebenswerten Ort zu machen? Und welche Fertigkeiten bringen Menschen mit einer Form von Behinderung mit, die unterstützen wollen und wie kriegen wir das miteinander verknüpft?“

Pflegenotstand in Deutschland ist ein Thema, vor dem viele die Augen verschließen. Worin siehst du die größten Herausforderungen? Was ist das Ziel des Projekts – inwieweit kann es helfen und sogar nachhaltig helfen?

„Ich glaube, wir laufen alle Gefahr, unter dem Pflegenotstand zu leiden. Je länger wir die Augen davor verschließen, desto näher rückt der selbstverschuldete Scherbenhaufen. Weder ist es nur Thema der Krankenkassen noch ausschließlich der Politik. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, wo wir alle gefragt sind. Was können wir als Gesellschaft dazu beitragen, dem Thema Pflege das negative Image zu nehmen, das oft mitschwingt?“

Tim Mälzer will gesellschaftliche Themen ansprechen

Was ist dein persönliches Ziel mit diesem Projekt?

„Ich versuche im Rahmen meiner Möglichkeiten, gesellschaftliche Themen anzusprechen. Mein Ziel ist dabei nicht, nur Probleme zu nennen, sondern die Aufmerksamkeit zu schaffen und im besten Fall Lösungen für Probleme zu finden. Ich glaube, wir müssen als Gesellschaft wieder ein bisschen funktionaler und gemeinschaftlicher werden. Und dazu kann jede und jeder einen Beitrag leisten.“

Was für ein Bild von Altersheimen hattest du vor der Sendung „Herbstresidenz“ im Kopf – hat sich das geändert?

„Mein persönlicher Eindruck war eher widersprüchlich zum gängigen Bild. Aufgrund eines kurzen familiären Bezugs zu einem Heim hatte ich einen eher positiven Eindruck, da wir positive Erfahrungen gemacht haben. Dennoch gab es aber auch da einige Verbesserungsmöglichkeiten. Mir ist aber ganz wichtig dazuzusagen, dass es hier nicht darum geht, Pflegebashing zu betreiben und aufzuzeigen, was in Pflegeheimen fehlt oder nicht läuft. Das wäre unfair und nicht richtig. Die Leute vor Ort machen zumeist einen top Job! Mir geht es vor allem darum zu gucken, wie wir es noch besser machen können. Wie können wir die Menschen, die täglich vor Ort alles in ihrer Macht stehende leisten, unter die Arme greifen und helfen? Wie kriegen wir es hin, dass auch die Arbeit des Pflegepersonals wieder wertschätzender betrachtet wird und sich für die Pflegenden befriedigender gestaltet? Applaus aus dem Fenster, wie in Corona-Zeiten, reicht da nicht.“

Was hat Tim überrascht?

Was wurde zur größten Herausforderung des Generationenprojekts?

„Der Zeitraum, der uns zur Verfügung stand, war eigentlich viel zu kurz. In den drei Monaten, in denen wir das Format gemacht haben, konnten wir im Grunde erst einen Prozess anstoßen, nicht aber zu einem richtigen Ende führen. Dieser Prozess müsste jetzt weitergetragen werden. Es ist ein so vielschichtiges Thema, für das wir in unterschiedlichen Bereichen Lösungsansätze anbieten konnten. Aus den Ansätzen werden aber erst dann Lösungen, wenn es Leute gibt, die den Prozess und die notwendige Energie aufgreifen, sie weiterführen und auch weiter kommunizieren.“

Was hat dich positiv überrascht?

„Die Menschen. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die Auszubildenden und die Pflegekräfte. Letztere haben sich uns gegenüber mit einer enormen Bereitschaft geöffnet, um Veränderungen mitzugestalten, mitzutragen und den Prozess anzutreiben. Das hat mich stark beeindruckt.“

Tims Wunsch für den Lebensabend

Wie lautet dein Fazit zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“ – ist es gelungen? Weißt du, ob es schon in weiteren Einrichtungen Anwendung findet?

„Ob die Veränderungen so 1:1 bereits woanders stattfinden, kann ich gar nicht genau sagen. Ich habe aber gehört, dass die Caritas das Modell so gut findet, dass sie das Konzept wohl gerne auf weitere Heime ausweiten möchte.
Die Frage ist, was nun „gelungen“ bedeutet. Gelungen ist es ja in dem Moment, in dem wir es geschafft haben, das Leben der Einzelnen erträglicher zu machen und wir es geschafft haben, ihnen ein Zuhause zu geben. Wenn wir es geschafft haben, den Pflegerinnen und Pflegern den Arbeitsalltag ein wenig zu erleichtern. Und wenn wir es geschafft haben, einzelnen Leuten wieder eine Aufgabe im Leben zu geben, die sie hoch motiviert ausüben und damit wiederum das Leben anderer wieder schöner gestalten. Wenn all diese Parameter bedeuten, dass das Projekt gelungen ist, dann würde ich sagen, dass es ein absoluter Erfolg war, ja.“

Was wäre dein persönlicher Traum für den Lebensabend? Wie soll er aussehen?

„Selbstverwaltet, aktiv und sozial vernetzt bis zum Schluss.“

„Herbstresidenz mit Tim Mälzer und André Dietz" ab dem 5. März, mittwochs um 20:15 Uhr in vier Folgen bei VOX. Ab dem 5. März immer sieben Tage im Voraus auch auf RTL+ abrufbar.