Der Hundeprofi
In den meisten Fällen wird der Hundeprofi um Hilfe gebeten, wenn Hunde Stress machen. Bei der dreijährigen Hündin Cassy ist das jedoch anders, denn sie hat Stress und zeigt ein stark ritualisiertes Verhalten. Der Schäferhundmischling kompensiert den Stress nämlich nicht lautstark, sondern dreht sich sehr schnell im Kreis und versucht die eigene Rute zu fangen - manchmal minutenlang. Mit acht Monaten kam Cassy als Abgabetier aus dem Tierheim zu ihren jetzigen Besitzern. Die Familie hat es sogar schon mit Bachblüten, Johanniskraut und Baldrian versucht und weiß nicht, wie sie ihrer Hündin helfen kann.

Auch Hundeprofi Martin Rütter hat selten einen Hund erlebt, der derartig gestresst ist. Er möchte Cassys Verhaltensauffälligkeit so schnell wie möglich entgegenwirken und ist sicher, dass dies nur mit Hilfe körperlicher Verausgabung funktionieren kann.
Das Training in zwei Schritten

1. Trainingsschritt
Cassys Familie soll mit ihr wild und ausgelassen im Garten spielen. Beim Spiel mit dem Bällchen scheint es der Hündin gut zu gehen. Um festzustellen, wie sie reagiert, sobald das Spiel abgebrochen wird, soll ihr Herrchen das Spiel abrupt beenden und alle Bälle demonstrativ in der Hand behalten. Cassy dreht sich kurz, schnappt nach ihrem Schwanz und guckt dann ihr Herrchen an. Vermutlich will die Mischlingshündin mit ihrem Verhalten Aufmerksamkeit erregen.
Nach nur wenigen Minuten, in denen Cassy nicht beschäftigt wird, fängt sie wieder an, sich zu drehen. Hier setzt der Hundeprofi an und fordert die Familie auf, kommentarlos im Haus zu verschwinden. Martin beobachtet, wie die Hündin allein ihre Kreise durch den Garten zieht und so lang nicht damit aufhört, bis sie an ihre körperliche Belastungsgrenze gekommen ist. Für die Menschen ist es nun wichtig, das Verhalten der Hündin nicht mehr zuzulassen und es in den Anfängen sofort zu unterbrechen. Denn jedes Mal, wenn sie sich im Kreis dreht, verfestigt sich ihr Verhalten weiter.
2. Trainingsschritt
Von nun an soll Cassy regelmäßig durch Spielen und Toben an den Rand völliger Erschöpfung gebracht werden. Da dies bei einem kranken Hund jedoch fatale Folgen haben kann, lässt die Familie ihre Hündin zur Sicherheit von einer Tierärztin durchchecken. Ergebnis: Cassy ist vollkommen gesund. Der Hundeprofi möchte testen, ob die Hündin in einem Zustand der Erschöpfung ihr stereotypes Verhalten verliert - zumindest während des Spiels jagt Cassy kein einziges Mal ihrer Rute nach.
Für die Familie heißt das, zweimal am Tag anderthalb Stunden mit der Hündin bis zu deren völligen Erschöpfung zu spielen, zu laufen oder fahrradzufahren. Für ihren Hund nehmen Cassys Menschen diese Strapazen gern in Kauf und tatsächlich ist sie nach einiger Zeit weniger stressempfindlich, das stereotype Verhalten ist seltener geworden. Es gibt sogar Tage, an denen die Hündin nicht ein einziges Mal "durchdreht" und so steigert sich die Lebensqualität für Mensch und Vierbeiner Schritt für Schritt!