Sportsüchtig! Fix und fertig statt fit
Rund sechs Millionen Deutsche gehen regelmäßig in Fitness-Studios. Aber Sport ist nicht unbedingt immer so gesund, wie viele glauben. Psychologen schätzen, dass in Deutschland etwa ein Prozent der Bevölkerung an Sportsucht leidet, und es werden mehr. Meist sind es Frauen, deren ständiger Kampf um den idealen Körper außer Kontrolle gerät: Sie zwingen sich zu exzessivem Sport und rutschen oft zusätzlich in eine Essstörung. Sie stellen ihr ganzes Leben auf ihr Trainingsprogramm und die dazugehörende Ernährung ein. Es kann viele Jahre dauern, bis Süchtige erkennen, in welch gefährlicher Spirale sie stecken und wie schwer es ist, sich davon zu befreien. stern TV-Reportage hat drei Betroffene Frauen begleitet.

Bodybuilderin Ute (46) ist verheiratet, hat eine 13-jährige Tochter und ist seit 25 Jahren muskelsüchtig. Fünfmal die Woche geht sie ins Studio, um Gewichte zu stemmen. "Wenn ich keinen Sport mache, werde ich aggressiv!" Damit ihre Muskeln auch in der Ruhephase genug Eiweiß haben, muss sie alle zwei bis drei Stunden essen. In der Handtasche hat sie immer ein Stück geräucherten Lachs! "Ich werde panisch, wenn ich unterwegs bin und kein Eiweiß dabei habe!" Ihr Ehemann, ein erfolgreicher Unternehmer, ist eher unsportlich, aber tolerant. Auch Tochter Sabrina akzeptiert ihre muskelbepackte Mutter, obwohl sie in der Schule deshalb schon gemobbt wurde. "Wie sieht denn deine Mutter aus? Die sieht ja aus wie ein Mann", sagten Mitschüler. stern TV-Reportage zeigt, wie Ute ihr gesamtes Leben nach dem Sport ausrichtet. Sie weiß, wie süchtig sie ist, aber freiwillig ändern würde sie ihr Leben nicht.
"Wenn ich mehr als 50 Kilo wiege, fühle ich mit fett und elend"

Die 20-jährige Marie musste wegen ihrer Sport- und Magersucht die Schule abbrechen und ist mehrmals im Jahr in einer Klinik untergebracht. Ihr Sportpensum: Jeden Tag vier Stunden, sieben Tage die Woche. Sie joggt, fährt Fahrrad und Inline-Skates, ist Mitglied in zwei Ballettgruppen und im Schwimmverein. Spaß am Sport hat Marie nicht: "Ich zwinge mich dazu, selbst wenn ich überhaupt keine Kraft mehr habe. Egal! Mein Körper muss einfach dünn und durchtrainiert sein!" Marie isst fast nichts, greift zusätzlich zu Kohlenhydrat- und Fettblockern. "Wenn ich mehr als 50 Kilo wiege, fühle ich mit fett und elend", sagt das 1,70 m große Mädchen. Marie hat unzählige Therapien hinter sich, aber es gelingt ihr nur schwer, etwas zu ändern.
Seit sie ein Teenager war, leidet die 25-jährige Studentin Tina an Sportbulimie. Anstatt sich nach Essanfällen zu erbrechen, machte sie Sport. Während andere Partys feierten und das Leben genossen, isolierte sich Tina und war nur damit beschäftigt, ihr unmenschliches Sportprogramm durchzuziehen. Richtig gut fühlte sie sich nur, wenn ihr Körper ausgelaugt und kaputt war. "Keiner sieht es mir an, wie exzessiv ich den Sport betreibe. Aber es ist mir enorm wichtig, fit und zu Höchstleistungen in der Lage zu sein!" Seit zweieinhalb Jahren macht sie eine Therapie und kann besser mit ihren Süchten umgehen. Sie hatte länger keinen Essanfall mehr, hat ihr Training reduziert. "Früher hab ich nie darüber nachgedacht, dass mein Verhalten krankhaft sein könnte. Sport ist schließlich gesellschaftlich akzeptiert und wird bewundert. Aber für mich ist er mit viel Leid und Qual verbunden." Tinas größter Traum: Ganz normal leben und nur noch Sport machen, wenn sie Lust drauf hat und dabei sogar Genuss empfinden! stern TV-Reportage dokumentiert den harten Kampf gegen die Sportsucht.
stern TV Reportage: Am 16.11.2010 um 22:30 Uhr bei VOX