Eine imaginäre Reise durch Berlin : "W.K.V.B.Z. - Sketches Of An Imaginary Soundtrack“: Das neue Album von NO MORE ist da
Von Mirjam Wilhelm
„Suicide Commando“ – mit diesem Kulthit aus den 80ern begann die Erfolgsgeschichte der Kieler Band NO MORE. 1979 als Quartett gegründet, haben sich NO MORE im Laufe der Jahre immer wieder verändert, sowohl musikalisch als auch als Band. Heute sind die beiden Gründungsmitglieder Tina Sanudakura und Andy Schwarz als Duo unterwegs. Jetzt ist ihr neues Album mit dem geheimnisvollen Titel "W.K.V.B.Z. - Sketches Of An Imaginary Soundtrack“ erschienen. Mehr zu diesem musikalischen „Kopfkino“ und wie sich NO MORE in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt haben, erzählen Tina und Andy am besten selbst – hier im Interview mit RTL.

Ihr habt angedeutet, dass das Album ursprünglich als Soundtrack für eine Serie gedacht war – das wurde aber so nicht realisiert. Was steckt dahinter?
Tina: Die Serie wurde schon realisiert, nur ohne unseren Soundtrack. Darum haben wir aus zwei Stunden Musik ein Album fürs Kopfkino zusammengestellt.
Mit den 22 Songs auf dem Album begibt man sich auf eine Reise durch das Berlin der späten 70er. Wie würdet ihr die Grundstimmung auf dem Album beschreiben?
Andy: Blau. Grau. Neon. Sehnsucht. Behaglich verloren. Dämmerung. U-Bahn.
Was verbindet euch persönlich mit Berlin?
Andy: Berlin war und ist aufregend, aber kann einem auch gut auf die Nerven gehen. Als wir 1980 das erste Mal in Berlin waren, haben wir „Out Of The Window“ geschrieben. Ich habe ziemlich lange ein eher ambivalentes Verhältnis zu Berlin gehabt.
Tina: Unsere Konzerte waren hier meist intensiv, selbst in den coolen 80ern.
Das Album "W.K.V.B.Z. - Sketches Of An Imaginary Soundtrack“ ist auch auf Kassette erhältlich. Immer mehr Bands bieten ihre Musik in letzter Zeit auch wieder auf Tape an. Ist es wichtig, der rasend wachsenden Digitalisierung gerade in der Musikbranche etwas entgegenzusetzen?
Tina: Dem kann man nicht wirklich etwas entgegensetzen. So obskur es klingt, indem man den Leuten so ein Stück aus Plastik in die Hand gibt, schafft man eine Verbindung. Popmusik ist oder war immer mehr als „nur“ Musik. Dieses AddOn kann Streaming nicht bieten.
Andy: Der Sound einer Kassette passt gut zu dem Thema des Albums. Der Sound erscheint verdichteter, es entsteht ein Gefühl von Echtzeit-Nostalgie.

NO MORE wurde 1979 gegründet, damals wart ihr als Quartett unterwegs. Nach einer Trennung der Band 1986 seid ihr als Duo mit NO MORE seit 2006 wieder da. Inwiefern habt ihr euch in der „Pause“ musikalisch und persönlich weiterentwickelt? Würdet ihr euch seitdem als eine Art „NO MORE 2.0“ bezeichnen oder ging es nach der Unterbrechung nahtlos weiter?
Tina: Natürlich hatten wir uns weiterentwickelt, aber wir haben uns vorgenommen, die gleichen Fehler nochmal zu machen, bloß besser.
Andy: Wir haben da wieder angesetzt, wo wir 1979 begonnen haben, nicht da wo wir aufgehört haben. Sonst hätten wir nicht mit NO MORE weitergemacht.
Welche Musik hat euch in eurer Jugend entscheidend geprägt?
Andy: Wie die meisten unserer Generation, für die Punk/Post-Punk Ende der 70er „das Ding“ war, waren Velvet Underground, Lou Reed, Glam, Bowie, Roxy Music, Iggy Pop, eine Prise Kraftwerk unsere musikalische Sozialisation.
Zurückblickend auf 42 Jahre im Musikbusiness: Würdet ihr heute etwas anders machen? Wenn ja, was?
Tina: Früher haben wir zuerst zu wenig und dann zuviel auf andere gehört.
Andy: Unser Timing war nicht besonders gut, wir haben oft die richtigen Dinge zur falschen Zeit gemacht. Aber wahrscheinlich ist es heute nicht viel anders.
Wie habt ihr die bisherige fast einjährige Zeit im Lockdown erlebt? Habt ihr sie kreativ genutzt oder empfandet ihr es als mentalen Rückschlag?
Andy: Wir haben eine EP mit Coversongs herausgebracht, das Album jetzt und wir haben schon mit einem neuen Album angefangen, das hoffentlich auch noch dieses Jahr erscheint.
Tina: In Bezug auf Kreativität und Produktivität war der Lockdown eine gute Zeit. Mental hat uns das nichts ausgemacht, aber es wird uns alle trotzdem auf die eine oder andere Weise verändert haben.
Wenn der Lockdown irgendwann vorbei ist: Was werdet ihr als erstes machen? Worauf freut ihr euch am meisten?
Tina: Abwarten.
Andy: Und dann wieder Leute umarmen. Bäume sind auf Dauer kein Ersatz.